16.09.2013: Überarbeitung der Bildungspläne ist Kriterium für den Erfolg des Aktionsplans

Das Netzwerk LSBTTIQ Baden-Württemberg setzt große Hoffnungen in die zweite Sitzung des Beirats zum Aktionsplan für Toleranz und Gleichberechtigung.

Stuttgart, 16. September 2013: Im Ringen um mehr Akzeptanz für gleichgeschlechtliche Lebensweisen und die Vielfalt von Geschlecht ist insbesondere eine aufgeklärte, tolerante Jugend ein elementarer Schlüsselfaktor. Daher wirkt das Netzwerk LSBTTIQ Baden-Württemberg – ein Zusammenschluss von über 60 Organisationen im Land bestehend aus Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transsexuellen, Transgender-Personen, Intersexuellen und queeren Menschen – seit Monaten darauf hin, dass in den neuen Bildungsplänen umfassende Aufklärungskonzepte für Toleranz und gegen Homo- sowie Transphobie verbindlich verankert werden. Baden-Württemberg braucht Schulen, an denen auch lesbische, schwule, transsexuelle, transgender, intersexuelle und queere Jugendliche angstfrei teilhaben können und Lehrerinnen und Lehrer qualifiziert sind, die Wertschätzung von Vielfalt angemessen zu vermitteln.

Sexuelle Identitäten und geschlechtliche Vielfalt müssen dabei explizit genannt und als gelebte Realitäten in der Gesellschaft verpflichtend über alle Altersklassen und Bildungseinrichtungen hinweg behandelt werden. Dies hat fächerübergreifend zu erfolgen – von Gemeinschaftskunde und Geschichte über Biologie bis hin zu Deutsch etc. Auch die Aus- und Weiterbildung sowie Sensibilisierung von Lehrerinnen und Lehrern ist hierbei ein entscheidender Punkt. Ebenso ist die Überarbeitung des Unterrichtsmaterials bei einer klaren Orientierung an den Lebensrealitäten unserer Gesellschaft dringend geboten.

Anderslautenden Verlautbarungen zum Trotz fehlen in der aktuellen Debatte um die Neuordnung der Bildungspläne für 2015 Begriffe wie sexuelle Orientierung und geschlechtliche Vielfalt bisher komplett. Dem von der grün-roten Landesregierung angestrebten Konzept der Leitprinzipien fehlt außerdem ein sechstes Kapitel mit dem Titel „Umgang mit Vielfalt“.

Alle bisher vom Netzwerk auf unterschiedlichsten Verwaltungsebenen geführten Gespräche sowie die klaren Forderungen bei den baden-württembergischen Christopher Street Day (CSD) Demonstrationen im Sommer waren zwar durch Offenheit und Interesse von Seiten der Verantwortlichen geprägt, konkrete Verbesserungen oder gar Ergänzungen der Bildungspläne folgten aber bis dato nicht.

Daher verbindet das Netzwerk LSBTTIQ Baden-Württemberg mit der nun anstehenden zweiten Sitzung des 40-köpfigen Beirats, welcher von der grün-roten Landesregierung zur Begleitung des geplanten Aktionsplans für Toleranz und Gleichberechtigung eingesetzt wurde, die Hoffnung, endlich konkrete und verlässliche Zusagen aus dem Kulturministerium zu erhalten. Die Sitzung findet am Mittwoch, den 18. September 2013 im Statistischen Landesamt in Stuttgart statt.

Die über 60 Organisationen des Netzwerks weisen im Vorfeld der Sitzung alle am Aktionsplan Beteiligten mit Nachdruck darauf hin, dass ein Bildungsplan ohne verpflichtende Verankerung der sexuellen Orientierung und der Vielfalt von Geschlecht einen landesweiten Aktionsplan für Toleranz und Gleichberechtigung ad absurdum führt, noch bevor dieser überhaupt im Kabinett behandelt beziehungsweise verabschiedet wird. Die bisher mehr als schleppende Diskussion um die Weiterentwicklung der Bildungspläne hin zu mehr Sichtbarkeit von LSBTTIQ-Menschen ist erschreckend. Jugendliche, die sich dem LSBTTIQ-Spektrum zugehörig fühlen, haben ein Recht auf Schulen in denen ihnen mit Respekt und Akzeptanz begegnet wird. Sie verdienen die Chance, angstfrei und sichtbar am schulischen Leben teilhaben zu können. Die gezielte Förderung einer Vielfaltskultur an Schulen und Bildungseinrichtungen entwickelt sich dabei zu einem klaren Gradmesser für den Erfolg des Aktionsplans und entscheidet am Ende über Gelingen oder Scheitern des ambitionierten Vorhabens der Landesregierung, Baden-Württemberg zum Vorreiter für Toleranz und Gleichberechtigung zu entwickeln.

Die gesamte Pressemitteilung vom 16.09.2013 als PDF Dokument.

 

Update vom 13.11.2013:
Sexuelle und geschlechtliche Vielfalt werden in den neuen Bildungsplänen verankert

Die GEW, das Netzwerk LSBTTIQ Baden-Württemberg und auch vielfältige Vertreter_innen im Beirat des Aktionsplans "Für Akzeptanz und gleiche Rechte" haben die Dringlichkeit der Verankerung des Themas der Vielfalt der sexuellen Orientierungen und Identitäten sowie der Vielfalt von Geschlecht in den neuen Bildungsplänen betont.

In einem sehr offenen und positiven Gespräch des Kultusministers Stoch mit Verteter_innen der GEW und des Netzwerks LSBTTIQ am 08.10. drückte Minister Stoch sein Anliegen aus, dass das Thema "sexuelle und geschlechtliche Vielfalt" in den neuen Bildungsplänen berücksichtigt wird. Am 23.10. folgte daraufhin ein erneutes Gespräch mit Vertreter_innen des Kultusministeriums und des Landesinstituts für Schulentwicklung (LS), bei dem die Anliegen noch mal konkret vorgetragen wurden und die Zusage gegeben wurde, diese zu berücksichtigen. Bei diesem Gespräch wurde vereinbart, dass Vertreter der GEW und des Netzwerks LSBTTIQ künftig regelmäßig in direktem Kontakt mit dem LS Rückmeldung zur Verankerung der Thematik in einzelnen Fächern geben werden. Eine Verortung in allen fünf Leitprinzipien des neuen Bildungsplans hat das Kultusministerium in Absprache mit diesen Vertretern bereits vorgenommen. Ein von der GEW vorgelegtes Papier, das Integrationsmöglichkeiten des Themas exemplarisch aufzeigt, liegt dem LS vor. Die dort formulierten Anliegen werden bei der weiteren Arbeit an den Bildungsplänen in den Blick genommen.

Weitere Arbeitstreffen sind geplant, deren Ergebnisse dann mit den Arbeitskreisen Lesben- und Schwulenpolitik der GEW und dem Plenum des Netzwerks LSBTTIQ Baden-Württemberg abgestimmt werden.